(UN-)SINN EINER KASTRATION

Prophylaktisch ein Organ zu entfernen, um zu verhindern, dass dieses womöglich eines Tages erkrankt, ist eigentlich ziemlich absurd. Doch gerade bei Hündinnen ist die Angst vor einem potentiellen Tumor oder einer möglichen Gebärmutterentzündung/ -vereiterung der Grund für eine pauschale und vorbeugende Kastration.

Dann gibt es natürlich noch diejenigen Hundehalter, die aus Bequemlichkeit ihre Hündin kastrieren lassen, um die zweimal im Jahr auftretende "lästige" Läufigkeit zu verhindern. Sollte es lediglich um die Vermeidung der Fortpflanzung gehen, wäre eigentlich das Durchtrennen der Eileiter das richtige Mittel der Wahl, da hierdurch der Hormonhaushalt nicht beeinflusst werden würde (Sterilisation).

 

Testosteron als wichtiger Gegenspieler von Cortisol

Bei Rüden erhoffen sich die meisten Hundehalter durch eine Kastration eine Verhaltensbesserung und machen vieles damit nur noch schlimmer. Da Testosteron einer der wichtigsten Gegenspieler des Stresshormons Cortisol ist, ist bei vielen kastrierten Hunden eine anschließende größere Stressanfälligkeit die logische Konsequenz.

 

Somit dürften verängstige und verunsicherte Hunde, deren Steuerung überwiegend über das Cortisol läuft oder Hunde, die z.B. durch Futteraggression defensive Territorialaggression oder aus Unsicherheit heraus entstehende Leinenaggression zeigen, auf keinen Fall kastriert werden. Auch das Jagdverhalten oder eine cortisolbedingte Ressourcenaggressivität kann sich bei vielen Hunden nach der Kastration noch verschlimmern (Sophie Strodtbeck und Udo Gansloßer, "Kastration und Verhalten beim Hund", 2014).

 

Frühkastrationen unbedingt vermeiden

Besonders fatal sind die Auswirkungen einer Frühkastration, da den Vierbeinern in der Pubertät der für den Wachstumsprozess des Skeletts und der Muskulatur notwendige Hormonschub genommen wird. Neben zusätzlichen Auswirkungen auf das Herz-Kreislauf-System, andere Organe und die Atmung können dramatische Auswirkungen im Gehirn eintreten.

 

Jeder kennt pubertierende Jugendliche mit ihren Stimmungsschwankungen, ihrer Reizbarkeit bis hin zu plötzlichen Wutausbrüchen. Auch unsere Vierbeiner zeigen alle diese Eigenschaften und wenn man nun genau zum Zeitpunkt eines solchen hormonellen Ungleichgewichts kastrieren würde, kann dieser Gemütszustand im schlimmsten Fall für die Zukunft in Stein gemeißelt werden.

 

Erhöhtes Risiko für Prostatatumore

Besonders erschreckend ist das Ergebnis mehrerer Studien einer erhöhten Anfälligkeit kastrierter Rüden an Prostatatumoren: die Wahrscheinlichkeit an einer Erkrankung ist bis zu dreimal höher als bei unkastrierten Rüden (Sophie Strodtbeck und Udo Gansloßer, "Kastration und Verhalten beim Hund", 2014).

 

Chirurgische Kastration nicht rückgängig zu machen

Ich könnte noch diverse weitere Folgen aufzählen und Vorurteile mit Fakten widerlegen, aber eigentlich möchte ich nur für eine bewusstere Einzelfallentscheidung plädieren. Wenn ihr die Frage "Kann das bei meinem Hund bestehende Problem durch eine Kastration verbessert werden?" ganz sicher mit "Ja" beantworten könnt, ist die Kastration auch sinnvoll. Falls nicht, zieht einen kompetenten Hundetrainer zu Rate oder nutzt die chemische Kastration zur weiteren Überprüfung.